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Grundsatzprogramm NABU - Für Mensch und Natur - Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
Die Erfahrungen aus den letzten Jahrzehnten haben gezeigt, dass auch demokratische Gesellschaften Umweltprobleme
verursachen. Sie sind aber die einzigen Gesellschaftsformen, deren Strukturen Vorraussetzungen für einen besseren
Schutz von Umwelt und Natur bieten.
Ein wichtiges Ziel des NABU ist es , die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Bürgerinnen und Bürger zu
erhalten und zu verbessern.
1. Nachhaltige Entwicklung durch engagierte Bürgerinnen und Bürger
Neben dem Funktionieren der demokratischen Institutionen ist die Übernahme von Verantwortung durch Bürgerinnen
und Bürger ein entscheidender Faktor. Dort, wo Verantwortung nicht nur delegiert oder abgeschoben, sondern selbst
übernommen und gelebt wird, entsteht Gemeinsinn. Deshalb ist ein Schlüsselfaktor für eine nachhaltige Entwicklung,
dass Bürgerinnen und Bürger Verantwortung im privaten wie im öffentlichen Raum übernehmen. Der NABU selbst lebt
vom Engagement aktiver Mitglieder in seinen Orts-, Kreis- und Fachgruppen.
Der NABU setzt sich deshalb das Ziel, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Beteiligung auf allen Ebenen
zu verbessern und Bürgerinnen und Bürger für ein Engagement im NABU und für den NABU zu motivieren.
Auf kommunaler und regionaler Ebene hält der NABU mehr Initiativen zur Umsetzung der Agenda 21 für erforderlich.
Diese bieten auch einen guten Rahmen für NABU-Gruppen, die sich in kommunale Belange einbringen wollen.
Bürgerengagement braucht Anerkennung. Deshalb ist es erforderlich, dass die Arbeit von Freiwilligen im Natur-
und Umweltschutz durch die Gesellschaft anerkannt und honoriert wird. Sowohl im Rahmen der politischen Kultur
als auch in der Gesetzgebung sollte Freiwilligenarbeit stärker gefördert werden.
Der NABU wird auch einen eigenen Beitrag dazu leisten, Kommunikationsprozesse zwischen Bürgern und gesellschaftlichen
Gruppen zu initiieren, zu fördern und zu moderieren, um von einem breiten Konsens getragene Zielsetzungen zu ermöglichen.
Auf nationaler Ebene fordert der NABU einen Rat für Umwelt und Entwicklung, der klare und vereinbarte Ziele für
den Bereich der Umweltpolitik formuliert und Maßnahmen und Aktivitäten vorschlägt. Damit Umweltverbände wie der
NABU ihre Rolle als 'Anwalt der Natur' wahrnehmen können, müssen in allen naturrelevanten Entscheidungsprozessen
eine Beteiligung der Naturschutzverbände sowie ein einfach zu handhabendes Verbandsklagerecht vorgesehen werden.
2. Globalisierung - ökologisch und sozial gestaltet
Da zunehmend wichtige umweltpolitische Entscheidungen auf die EU-Ebene verlagert werden, müssen auch hier die
Beteiligungsmöglichkeiten der Umweltverbände deutlich verbessert werden. Sowohl die europäische Agrarpolitik
als auch naturschutzrelevante Richtlinien wie die Vogelschutzrichtlinie von 1979 und die FFH-Richtlinie von 1992
zeigen, dass von der EU wichtige Signale für die Umwelt- und Naturschutzpolitik ausgehen. Die Liberalisierung
des Binnenmarktes sowie die EU-Osterweiterung sind weitere Politikfelder, die Umweltrelevanz haben. Deshalb
wird der NABU seine Präsenz in Brüssel in geeigneter Weise verstärken müssen, um ein Gegengewicht zur starken
Wirtschaftslobby zu schaffen.
Auch auf der Ebene de Vereinten Nationen ist durch Reformen sicherzustellen, dass Umweltorganisationen wie der
NABU im Verbund mit anderen großen Naturschutzorganisationen ihre Vorschläge zur Lösung globaler Probleme einbringen
können.
Die bisher erzielten umwelt- und naturschutzpolitischen Errungenschaften in Deutschland und der Europäischen
Union geraten zunehmend unter Druck. Die von Wirtschaft und Industrie geforderte Absenkung des Umweltschutzniveaus
verstößt gegen das verfassungsrechtliche Verschlechterungsverbot und führt in eine Sackgasse. Die vordergründige
Anpassung an den Weltmarkt verursacht weitere globale ökologische und soziale Probleme und eine ungerechte
Verteilung von Wohlstand. Deshalb kommt es darauf an, dass die politischen Entscheidungsträger, insbesondere
die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union, ihre Möglichkeiten nutzen, die Globalisierung mit
ökologischen und sozialen Mindeststandards zu koppeln. Wir brauchen international verbindliche Rahmenregelungen,
um Sozial- und Umweltdumping zu verhindern. Mit Sanktionen bewehrte Konventionen zum Schutz von biologischer
Vielfalt, Wäldern, Meeren, Boden, Luft, Wasser und Klima müssen die Erhaltung global wichtiger Schutz- und
Wildnisgebiete und die nachhaltige Nutzung von Kulturlandschaften sicherstellen.
Auch das Thema Wasser ist global gesehen eines der wichtigsten Themen. Viele Erdteile leiden bereits unter
Wasserverknappung, während in den Industrienationen der Pro-Kopf-Verbrauch immer noch weit über 100 Liter pro
Tag liegt. In manchen Regionen wird schon heute um den Zugang zum Wasser gekämpft. Der NABU setzt sich für
einen schonenden Umgang mit Wasser in allen Bereichen ein. Dazu zählen eine Senkung des Wasserverbrauchs,
Maßnahmen zur Gewässerreinhaltung und zum Gewässerschutz und der Schutz der Meere.
Gefordert sind auch globale Maßnahmen zur Eindämmung der Luftverschmutzung. Die Eutrophierung führt weltweit
zu einer Nivellierung der biologischen und landschaftlichen Vielfalt. Hauptverursacher sind dabei Emissionen
aus Industrie, Verkehr und Landwirtschaft.
Zu einer globalen umweltpolitischen Bestandsaufnahme zählt auch, dass das nach wie vor ungebremste
Bevölkerungswachstum ein zentrales Zukunftsproblem unserer Erde darstellt. Alle Lebensbereiche und ökologischen
Themen werden von der Bevölkerungsentwicklung tangiert (zum Beispiel großflächige Waldrodungen, Treibhauseffekt,
Überweidung, Wasser, Ernährung, Abfälle). Der NABU fordert und unterstützt Maßnahmen, weltweit Menschen für
dieses Problem unter Berücksichtigung ihrer Kultur und Lebenssituation zu sensibilisieren und einfache,
praktikable und finanzierbare Möglichkeiten zur Familienplanung zu entwickeln und anzubieten.
Ein Schlüsselfaktor für eine nachhaltige Entwicklung stellt insbesondere die Bekämpfung der Armut und die
Verbesserung des Bildungsniveaus dar. Die Industriestaaten und hier auch die Bundesrepublik Deutschland müssen
ihrer Verpflichtung zu einer globalen, nachhaltigen Entwicklung zum Beispiel durch eigene Beiträge zur Lösung
der internationalen Schuldenkrise gerecht werden.
Zu den auf globaler Ebene erforderlichen Maßnahmen zur Lösung der Umwelt- und Sozialprobleme zählen eine
Ökologisierung der Welthandelsorganisation WTO als Nachfolgeorganisation des GATT, eine Reform der internationalen
Finanzierungsinstitutionen und eine kohärente, umwelt- und sozialverträgliche Entwicklungspolitik. Die UNO muss
so reformiert werden, dass sie zu einer effektiven sowie handlungs- und durchsetzungsfähigen Organisation wird.
3. Vernetzte Regionen - das Leitbild der Zukunft
Die wirtschaftliche Globalisierung hat zahlreiche negative soziale und ökologische Auswirkungen. Durch die
Förderung der Regionen und ihre Vernetzung kann hier ein Gegentrend gestützt werden. Die Idee der Vernetzung
liegt zugleich auch nachhaltigen Naturschutzstrategien zugrunde.
Das Leitbild der Zukunft liegt in der naturverträglichen Entwicklung von Regionen. Regionen sind für die
Identifikation der Bürgerinnen und Bürger wichtige Bezugspunkte. Regionale Wirtschaftskreisläufe dienen der
Vermeidung von Verkehr. Viele globale Probleme werden leichter lösbar, wenn Projekte mit der Verknüpfung
naturverträglicher und regionaler Produktion, Verarbeitung und Vermarktung vermehrt entwickelt und gefördert
werden. Als Modellregionen hierfür sind insbesondere Biosphärenreservate geeignet, die regionale Wirtschaftskreisläufe
und Naturschutzanliegen miteinander verbinden. Für die Förderung der Regionen spielen Kooperationen des NABU mit
sozialen, kirchlichen und anderen gesellschaftlichen Gruppen eine große Rolle.
Damit Regionen in Zukunft Entwicklungschancen haben, bedarf es neuer politischer Rahmenbedingungen. Die ländliche
Entwicklung sollte deshalb zu einem Förder- und Entwicklungsschwerpunkt für die nationale und EU-Politik werden.
Die Agenda 2000 bietet dafür eine Reihe von konkreten Möglichkeiten. Gefördert werden sollten gut funktionierende
Verkehrsverbundsysteme sowie die regionale Produktion und Vermarktung von naturverträglichen Gütern und Dienstleistungen.
4. Umweltpolitik der Zukunft: Mehr Vorsorge und Eigenverantwortung
Die Umweltpolitik der letzten Jahrzehnte war von mangelnder Umsetzung des Vorsorge- und Verursacherprinzips geprägt.
Der NABU hält deshalb eine Wende vom technisch nachsorgenden Umweltschutz zu einer vorsorgenden Umweltpolitik für
erforderlich. Außerdem: Wer Kosten verursacht, soll diese auch bezahlen. Das bedeutet eine Abwendung weg vom
betriebs- und branchenorientierten hin zu einem konsequent volkswirtschaftlichen ökologischen Denken und Handeln.
Die Erfolge der Umweltpolitik in der Vergangenheit sind in erster Linie durch staatliches Ordnungsrecht entstanden:
Auf diese Weise konnten unsere Flüsse wieder sauberer werden und viele Luftschadstoffe wie etwa Schwefeldioxid
in beachtlicher Weise reduziert werden. Das Umweltordnungsrecht gerät aber dort an Grenzen, wo es um komplexe
Verhaltensänderungen von Bürgerinnen und Bürgen wie auch von Unternehmen geht.
Deshalb fordert der NABU, dass aufbauend auf dem bestehenden Umweltrecht das umweltpolitische Instrumentarium
künftig mehr Eigenverantwortung fördert und unterstützt. Ökonomische Instrumente wie Ökosteuern, Umweltzertifikate
und Lizenzen sollten stärker in den Bereichen Energie, und Chemie, Rohstoff- und Flächenverbrauch eingeführt bzw.
weiterentwickelt werden. Im Bereich konkreter Umweltauflagen sollte sich der Staat in Zukunft auf die Festlegung
verbindlicher Ziele, Kontroll- und Sanktionsmechanismen konzentrieren.
Die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen sollte möglichst den Unternehmen, Gemeinden oder Körperschaften
überlassen werden.
Derzeit gibt es bei den Umweltgesetzen erhebliche Vollzugsdefizite. Klarheit für die Bürgerinnen und Bürger
hinsichtlich der Gesetzeslage besteht nur, wenn Gesetze kontrollierbar sind und konsequent kontrolliert werden.
Der NABU hält eine Stärkung der unabhängigen Rechnungshöfe für erforderlich. Die generelle Forderung nach
Deregulierung führt weder zu volkswirtschaftlichen noch zu ökologischen Erfolgen. Die Umweltverbände müssen in
die Entwicklung und das Monitoring freiwilliger Vereinbarungen im Umweltbereich einbezogen werden.